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„Choreophonien des Raumes in der Komposition und Aufführungspraxis elektroakustischer Musik“

Denkraum.Bauhaus Bauhaus-Universität Weimar | Räume Deuten



Ohne Zweifel ist Raum der musikalische Parameter, der sich in den letzten Jahren innerhalb der kreativen Prozesse der Klanggestaltung und der musikalischen Komposition am weitesten entwickelt hat. Die Definition des Raumbegriffs, wie sie Peter Kiefer u.a. in seiner Publikation „Klangräume der Kunst“ verwendet, wird komplexer, wenn wir die verschiedenen Ausprägungen des Raumes in Bezug auf aktuelle Phänomene der Musik, zeitgenössischer Kunst und Technologien im Detail analysieren.


Auf diese Weise finden wir reale oder imaginäre Räume, telematische oder virtuelle, solche, die einen bestehenden Ort neu definieren oder replizieren. Oder solche, die zwar von einer Realität ausgehen, sich allerdings auf der Suche nach einer ephemeren, außerhalb künstlerischer musikalischer Werke unwirklichen und anderweitig unmöglich zu findenden Klanglandschaft, entziehen.


Dynamische Klangobjekte haben sich als kleinste kompositorische Einheiten innerhalb dieser Räume etabliert. Diese unterliegen bestimmten Koordinaten in vordefinierten und sich verändernden Klanglandschaften.


Die Artikulation des Raums selbst, lässt sich aus der Manipulation von Kompositionselementen wie dem Inhalt von Klangspektren, der Intensität oder räumlichen Lokalisierung des Klangs entwickeln. Ebenso können musikalische Parameter durch anderer Medien beeinflusst und in Echtzeit manipuliert werden. So verwandelt sich der Klangraum in ein plastisches, organisches und flüchtiges Medium.


Gleichzeitig fallen über die Identifikation mit Körper– und musikalischen Gesten Klang– und Performativer– Raum in Eins. Unabhängig davon, ob diese Gesten kollektiv oder individuell sind, laden sie Performerinnen wie auch Hörerinnen dazu ein, selbst Teil eines immersiven, sensorischen und interaktiven Erlebnisses zu werden.


Das Verschwinden der „vierten Wand“ der Konzertbühne durch aktuelle mehrdimensionale Spatialisationsverfahren eröffnet ganz neue Wege für die kreative Praxis, als eine Choreophonie, oder Tanz der Klänge im Umgang mit dem Raum. Dies erfordert und generiert neue Kompositions- und Gestaltungsstrategien gleichermassen. Dazu gehören unterschiedliche Bedingungen und Techniken wie z.B.


• Der Einsatz von Sensoren oder Kameras zur Messung von Bewegung, Position, Beschleunigung, Temperatur, etc. mittels interaktiver Systeme;

• Die Möglichkeit, die immensen Datenmengen, die in Echtzeit erzeugt werden, in Bezug auf die vielfältigen manipulierbaren Parameter von Klang und seiner audiovisuellen Umgebung zu verarbeiten;

• Der Einsatz von Meta-Instrumenten als Erweiterung bestehender Instrumente durch den Einsatz elektronischer Gestaltungsmittel in Echtzeit;

• Die Schaffung neuer Instrumente und Controller durch programmierbare open source Microprozessoren (z.B. das sogenannte „arduino Phänomen“);

• Algorithmisch gesteuerte schnelle Kommunikation und Datenaustausch aller beteiligten Instanzen als kompositorisches Mittel;

• Die Gestaltung des Bühnenbilds und der Objekte mit Bezug zur Musik, der Instrumente und der Gruppe der Instrumentalisten als Teil dieser Gestaltung;

• Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine, in dem der Körper als Generator oder Verfremdungsmittel der Musik wirkt.


Wir leben in einer Zeit, in der die alten Gegensätze von analog und digital eine neue gemeinsame Realität bilden. Hybride Setups ermöglichen multisensorische Erfahrungen, in denen Sound, Licht, Visuals, interaktive Prozesse unter den Bedingungen der Verarbeitung grosser Datenmengen im gleichen choreophonischen Raum koexistieren. Das ist genau der Raum, in dem wir uns heute das Digitale Bauhaus Orchester vorstellen. Dieses Raum-Konzept ist auch ein Hybrid aus Antworten auf den Wunsch, in einem interdisziplinären, innovativen, nachhaltigen und transgressiven Rahmen künstlerisch schaffen und experimentieren zu können. Sein Zweck unterscheidet sich damit nicht von denen des Bauhaus vor 100 Jahren, ist aber dennoch eine künstlerische Reaktion auf unsere eigene musikalische Sprache, unsere Realität und damit auch auf die ästhetischen Herausforderungen unserer Zeit.




Quellenangaben:


Bosshard, Andreas (2018): Innerhalb und Ausserhalb. Klangräume und immersive Dynamik. In: Dissonance. Nr. 144. S. 8–10. Verein Dissonance – Schweizer Musikzeitschrift für Forschung und Kreation. Schweiz


Kiefer, Peter (2010): Klangräume der Kunst. Kehrer Verlag. Heidelberg. Deutschland.


Macedo, Fredico (2011): Phenomenology, spatial music and the composer: Prelude to a Phenomenoloy of space in electroacoustic Music, ICMC Procedings, University of Huddersfield. United Kingdom.


Müller, Patrick (2018): Raum. Instrument. Medium. Netzwerk. Konstellationen telematischer Aufführungspraxis. In: Dissonance. Nr. 144. S. 11-13. Verein Dissonance – Schweizer Musikzeitschrift für Forschung und Kreation. Schweiz


Minard, Robin (1996): Sound Installation Art. IEM. Graz. Österreich.


Smalley, Denis (2007): Space-form and the acousmatic image in: Organised Sound 12(1): S. 35–58 2007 Cambridge University Press. United Kingdom.


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